Kampagne: Ohne Referenden verringert sich Legitimation der EU weiter / Thomas Rupp ist Koordinator der European Referendum Campaign erc2.org

Neues Deutschland, 18.10.2007

Der Souverän muss befragt werden

Warum sollte es Referenden über den Reformvertrag geben?
Man sollte zunächst etwas klarstellen: Der EU-Reformvertrag entspricht weitgehend dem Verfassungsvertrag. Also geht es eher um eine Abstimmung über die EU-Verfassung. Und da ist die Antwort klar - die Bürgerinnen und Bürger müssen wegen der gravierenden Folgen für die europäische Integration über dieses Vertragswerk entscheiden. Die Ratifizierung eines so weitreichenden Dokuments ohne Referenden würde die Legitimation der EU weiter verringern und der Demokratie in Europa ernsthaft schaden. Daneben sind wir generell der Ansicht, dass die Menschen bedeutend mehr zur Entwicklung Europas befragt werden sollten. Wenn man Europa aufbauen will, muss die Bevölkerung mit ins Boot geholt werden.

Der Bürger kann aber nur mitreden, wenn er weiß, worum es geht. Das ist bei dem komplizierten Reformvertrag schwierig.
Das ist natürlich eine Grundkritik am Vertrag. Die Bevölkerung ist der Souverän - und wenn dieser den Vertrag nicht versteht, muss das Dokument entsprechend abgefasst werden. Zumal es überhaupt kein Problem wäre, die Eckpunkte zu diskutieren. Es geht nicht darum, hunderte Seiten mit detaillierten Festlegungen zu kennen. Man könnte aber sehr wohl auf einer DIN-A4-Seite die Grundfragen, um die es geht, auflisten. Übrigens haben auch sehr viele Bundestagsabgeordnete, die seinerzeit dem Verfassungsvertrag zugestimmt haben, nicht gewusst, was dort drin steht, sondern haben nach Fraktionszwang abgestimmt.

Ist das nicht ebenfalls ein Problem bei Referenden, dass weniger über das eigentliche Thema entschieden wird?
Das hängt immer von der Qualität der Diskussion vor dem Referendum ab. Wenn es eine faire Debatte der Lager gibt und keine Meinungsmanipulation, wie wir sie oft auf Regierungsseite gesehen haben, kann es sehr wohl eine sachorientierte Entscheidung geben. In den Niederlanden haben repräsentative Umfragen gezeigt, dass sich das Nein wirklich auf den Verfassungsvertrag bezog.

Die meisten Regierungen scheinen nicht zu Abstimmungen über die EU-Verträge bereit zu sein.
So eindeutig lässt sich das nicht sagen. In Dänemark wird zum Beispiel darüber debattiert, ob mit dem Vertrag Souveränitätsrechte an die EU abgegeben werden. Sollte dies zutreffen, muss laut Verfassung ein Referendum stattfinden. Letztlich hängt auch viel davon ab, inwieweit die Bürgerinnen und Bürger bereit sind, ihr Recht auf Abstimmung durchzusetzen.

In der Vergangenheit haben die Regierungen beim »falschen« Ergebnis der Referenden die Abstimmung wiederholt oder getrickst - wie jetzt bei der Umetikettierung des Verfassungsvertrags.
Das ist ein bekanntes Muster. Grob gesagt gibt es politische Zielvorstellungen der »Eliten«, die umgesetzt werden sollen. Und dazu gehört offensichtlich auch, die Bürger zu instrumentalisieren, oder, wenn diese eben stören, zu ignorieren.

Fragen: Uwe Sattler